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Materialsammlung (© Christina Irrgang)

Der 1932 von Heinrich Hoffmann lancierte Bildband „Hitler wie ihn keiner kennt“, der in Wort und fotografischem Bild von Hitlers Beliebtheit und Erfolgen erzählt, ist nicht nur als ein exemplarischer Fall politischer Bildpropaganda zu begreifen, sondern als „Vorbild“ für eine Vielzahl darauf folgender, politisch motivierter Bildbände zu betrachten. Dies bezieht sich sowohl auf die über Jahre hinweg in großen Auflagen von der Firma Hoffmann publizierten fotografischen Bildbände, die Adolf Hitler und das nationalsozialistische System zu stärken suchten, wie auch auf eine personengebundene politische Ikonografie, die sich in ähnlichem Stil auch bei Politikern nach der Zeit des Nationalsozialismus nachvollziehen lässt und bis heute zu beobachten ist. Mehr denn je sind Bildstrategien, wie sie sich in Hoffmanns Bildbänden beobachten lassen, virulent für eine auf fotografischer Bildsprache basierenden, politisch motivierten als auch intendierten Geschichtsschreibung.

Die Dissertationsschrift „Hoffmanns Bildindustrie. Eine medienanalytische Beobachtung“, die im März 2018 an der Hochschule für Gestaltung am Institut für Kunstwissenschaft und Medienphilosophie vorgelegt und im Sommer 2018 verteidigt wurde, nimmt eine aussagekräftige Auswahl der unter Heinrich Hoffmanns „Label“ produzierten Bildbände zum Betrachtungsgegenstand und unterzieht sie einer bild-kontextuellen Analyse. Fotografien werden hierbei nicht als Einzelerscheinungen wahrgenommen, sondern als reflexiver Corpus: den medialen Kontext, in dem sie erschienen sind, reflektierend (z.B. Fotobuch); Modalitäten der Ausführung dieses medialen Kontextes berücksichtigend (z.B. Editionen); die Sequenz bzw. das übergeordnete Bildkonglomerat, aus dem sie entnommen wurden, einbeziehend (z.B. Filmstreifen, Bildarchiv); den Corpus der analysierten Thematik in Diskurszusammenhängen begreifend.

Das Unternehmen Heinrich Hoffmann wird mit dieser Haltung aus medienanalytischer Perspektive betrachtet, insbesondere vor dem Hintergrund der fototechnischen Industrialisierung und propagandistischen Vermarktung der nationalsozialistischen Ideologie mit Hitler als wiederkehrendem, doch nicht alleinigem Motiv. Die narrative Wirksamkeit des fotografischen Bildes im politischen Kontext des Dritten Reichs ist dabei zentraler Bezugspunkt. Die nationalsozialistische Bildpropaganda, die mit den von Heinrich Hoffmann herausgegebenen fotografischen Bildbänden im Zeitraum 1932-1944 maßgeblich das Image und die Popularität Adolf Hitlers prägte, ist also Ausgangspunkt und immer wieder zentral in der Betrachtung Christina Irrgangs, die den Stellenwert des Bildes in der Vermittlung der nationalsozialistischen Ideologie untersucht.

Die Arbeit richtet einen besonderen Fokus auf Heinrich Hoffmanns Selbstdarstellung, insbesondere nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes. Denn immer wieder stützen sich selbst Fachkreise – mit auf Textquellen bezogenem Selbstverständnis oder gar aus Verlegenheit ob der wenigen, sprachlich „dokumentierten“ Aussagen Heinrich Hoffmanns – auf „Hoffmanns Erzählungen“ (Interviews, Manuskripte, Publikationen) und verfestigen damit eine Mythenbildung, die von einem Mann geschrieben wurde, der 1947 in seinem ersten Gerichtsverfahren durch die Spruchkammer München III in die Gruppe I eingereiht und damit ursprünglich als Hauptschuldiger an den Verbrechen des Zweiten Weltkriegs erachtet wurde; der sich hiervon aber entbinden konnte.

Inwiefern agierte Hoffmann wirklich innovativ, oder wusste er nur gekonnt – ähnlich wie Pete Souza für Barack Obama oder Donald Trumps Social Media Office –, die (technischen) Entwicklungen und medialen Kanäle seiner Zeit gezielt bild-politisch wirksam zu machen? Der serielle Umgang mit fotografisch reproduziertem Bildmaterial und Text, der im Format der narrativen Bildstrecke oder des Fotobuches die Medieninszenierung Hitlers hervorbrachte und unterhielt, bietet Anlass zur These, dass der Geschäftsmann Hoffmann medienstrategisch ganz bewusst die Bild- und Blickmacht Hitlers entwickelte und mit seiner „Bildmanufaktur“ gewinnstrebend steuerte.

Erst die technische Reproduzierbarkeit von fotografischem Bildmaterial ermöglichte die Vervielfältigung von „realitätsnahen“ Bildern als Weltbildvorlage. Diese Entwicklung ist grundlegend für das Entstehen medialer Formate, wie sie sich in Hoffmanns Sortiment abzeichnen. Entscheidend dabei ist: Heinrich Hoffmanns propagandistisch aufbereitete Fotografien erweisen sich als zeithistorische Dokumente, die vormals aber über das Abgebildete hinaus auch durch mediale Aktualität überzeugten. Hoffmanns Dokumente sind Produkte einer Image-Kampagne, deren Strategien die Arbeit „Hoffmanns Bildindustrie“ zu fassen und zu benennen sucht.

Der Ansatz der Arbeit liegt darin, historische, kunstwissenschaftliche, medienphilosophische, juristische, ethische, soziokulturelle, politische und konzeptuelle Implikationen in der Analyse von „Hoffmanns Bildindustrie“ zu berücksichtigen und die behandelte Thematik mit einem interdisziplinär-bildwissenschaftlichen Ansatz weiterzudenken. Dabei liefert die Analyse der im nationalsozialistischen System unter Heinrich Hoffmann produzierten und vermarkteten Bildstrategien insbesondere auch einen wichtigen kritischen Beitrag vor dem Hintergrund aktueller rechtspopulistischer Tendenzen und Ausformulierungen.

Betreuung: Prof. Dr. Wolfgang Ullrich (HfG Karlsruhe), Prof. Dr. Bernd Stiegler (Universität Konstanz)