Viele bedeutende AutorInnen wie Walter Benjamin, Berthold Brecht, Terry Eagleton oder Pierre Bourdieu setzten sich in ihren Schriften ganz gezielt mit dem Einfluss der Produktionsverhältnisse auf die Textproduktion – in all ihren diversen Erscheinungsformen und gesellschaftlichen Funktionen – auseinander. Ihr Fazit: Die AutorInnen bewegten sich schon immer in konkreten Produktionsstrukturen und institutionellen Rahmenbedingungen, die historisch verortet sind und entstehende Texte sowohl formal als auch inhaltlich determinieren. Mit diesem Verständnis wandten sie sich gegen das Kantsche und Schellingsche Bild des „Künstlergenies“, das in einer Art transhistorischem Vakuum schöpferisch tätig ist. Darüber hinaus merkte zum Beispiel Friedrich Kittler an, dass das Medium in dem geschrieben wird – ob nun Schreibmaschine, Feder oder Stift – ebenfalls Auswirkungen auf Form und Inhalt hat und den Gedankenfluss auf ihre jeweils eigene Weise lenken kann.

Das Rundgangsprojekt des Fachbereichs Kunstwissenschaft stellte sich über die Zeit des Rundgangs hinweg auf einer praktischen Ebene diesen Thesen und somit der eigenen Arbeitsweise. Die partizipative Performance war auf zwei Räume aufgeteilt. Vor Raum 112 wurde eine Art fordistische Schreibfabrik aufgebaut, in der mit unterschiedlichen Schreibmedien Texte produziert wurden, die als vorhandene Materialien die subjektiven Erfahrungen und Eindrücke des Rundgangs oder einzelner ausgestellter Arbeiten benutzten. Die Textproduzierenden wurden, wie in der Branche üblich, pro geschriebener Zeile nach mediums-, genre- und formatspezifischen Tarifmodellen entlohnt. Innerhalb des Raumes 112 befand sich, die vorangegangene Situation kontrastierend, ein post-fordistischer Arbeitsraum, der durch seine gemütliche und wohnzimmerartige Atmosphäre zwischen Wohnen und Arbeiten changierte. Hier stand es den Produzierenden frei, sich selbst bei Schorle und Obst auszubeuten.

Verantwortliche: Dr. Lioudmila Voropai, Louisa Raspé, Lena Reitschuster