Bei der Comicarbeit Peer Gynt, das Ich und das Andere handelt es sich um eine freie „Inszenierung“ des 1867 veröffentlichten Gedichts „Peer Gynt“ von Henrik Ibsen. Die Entwicklung der Hauptperson Peer Gynt und die Suche nach dem wahren Kern seines Ichs werden analog gesetzt zum langsamen Abrissprozess eines realen Gebäudes in Stuttgart.
Peer Gynt, das Ich und das Andere ist aber nicht nur eine Geschichte über Selbstsuche, sondern auch eine Geschichte über das Geschichtenerzählen. Ibsens „Peer Gynt“ erzählt die Lebensgeschichte der gleichnamigen Hauptfigur. In den abenteuerlichen, phantastischen, satirischen und nachdenklichen Episoden wird jedoch von verschiedenen Seiten nur die eine große Frage beleuchtet: „Wer bin ich und was soll ich auf der Welt?“ Hilfreiche Antworten liefert das Stück nicht. Im Gegenteil, es bricht alle aufkeimenden Ansätze, indem es behagliche Definitionen von gut und böse, sympathisch und unsympathisch, wahr und falsch zerlegt. Dieser Zerlegungsprozess der Gewissheiten, der Ideen, Lügen und Träume von Peer Gynt, aber auch sein realer körperlicher Abbau, wurde im Comic durch den Abrissprozess des ehemaligen Kinderkrankenhauses in Stuttgart verbildlicht, das über den Zeitraum von einem Jahr hinweg langsam verschwunden ist. Das Gebäude fungiert so einerseits als Ort der Handlung, als Lebensraum von Peer Gynt im realen und übertragenen Sinne, und gleichzeitig als Metapher für Peers „Ideen- und Lügengebäude“, das ihn lange aufrechterhält; als Metapher aber auch für sein ganzes Ich, dem im Laufe der Zeit schwer zugesetzt und das im letzten Akt gehäutet wird – wie eine Zwiebel. Die berühmte Szene, in der sich Peer Gynt mit einer Zwiebel vergleicht, die zwar viele Häute, aber keinen Kern besitzt, wurde zur Grundlage der formalen Struktur: Peers Geschichte wird auf verschiedenen Realitätsebenen erzählt, die mit unterschiedlichen zeichnerischen oder fotografischen Mitteln dargestellt werden. So werden zum Beispiel Anekdoten aus Peers Leben im Stil von „Superman“ oder „V wie Vendetta“ erzählt.
Dies spiegelt Peers freien Umgang mit der Wahrheit ebenso (wider) wie die Tatsache, dass Bild und Text im Comic oft nicht zusammenpassen; oder erst auf den zweiten Blick. Dies provoziert eine andere Lesart, in der nicht alles wörtlich genommen werden kann, sondern auf seine abstrakte Bedeutung hin überprüft werden muss.

Comic, 140 Seiten, broschiert

Betreuung:
Prof. Heike Schuppelius, Prof. Anja Dorn, Prof. Stephan Krass, Prof. Hansjerg Maier-Aichen